Steuerwirkung auf Vermögensverteilung

Gastkommentar in der Neuen Zürcher Zeitung am 21. Februar 2025

von ISABEL MARTÍNEZ, SAMIRA MARTI und FLORIAN SCHEUER

Die Vermögensungleichheit ist ein Thema, das weltweit die Gemüter beschäftigt. Während die Einkommensungleichheit in der Schweiz im internationalen Vergleich gering ausfällt, ist die Konzentration der Vermögen hierzulande zumindest ähnlich hoch wie in den USA oder gar noch höher. Auffallend ist auch der anhaltende Aufwärtstrend der Vermögenskonzentration: Besass das reichste Prozent aller Steuerpflichtigen im Jahr 1981 noch 33 Prozent aller versteuerten Vermögen, ist dieser Anteil zuletzt auf 45 Prozent angewachsen.

Heute ist die Schweiz eines der wenigen Länder weltweit, die nach wie vor eine Vermögenssteuer erheben. Diese Steuer hat eine lange Tradition: Seit dem 18. Jahrhundert wird sie von den Kantonen erhoben, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts besteuerte zudem auch der Bund die Vermögen. Heute macht die Vermögenssteuer knapp 10 Prozent der kantonalen und kommunalen Steuereinnahmen aus.

Doch wie viel trägt eine Vermögenssteuer zur Verringerung der Ungleichheit bei? Anhand der Steuerstatistiken aus den kantonalen Archiven haben wir die Vermögenskonzentration innerhalb der Kantone bis in die 1960er Jahre zurück rekonstruiert. Im Kanton mit den niedrigsten Steuern auf Vermögen, Nidwalden mit einem Spitzensteuersatz von 0,1 Prozent, gehörten dem reichsten Prozent der Bevölkerung 2018 beeindruckende 70 Prozent des Gesamtvermögens im Kanton, der höchste Wert aller Kantone. Schwyz folgt mit 60 Prozent, wobei hier der Wert noch in den 1990er Jahren bei nur knapp über 30 Prozent lag und sich somit seither fast verdoppelt hat.

Demgegenüber hat sich der Anteil in Kantonen wie Zürich oder Bern über die Jahrzehnte hinweg kaum verändert und liegt stabil unter 40 Prozent. Der Aufwärtstrend der Vermögensungleichheit ist somit nicht in allen Kantonen gleichermassen festzustellen. Im selben Zeitraum hat sich auch die Steuerbelastung auf Vermögen kantonal unterschiedlich verändert. Während der Trend insgesamt klar nach unten zeigt, gab es in einzelnen Kantonen sowohl Steuersenkungen als auch -erhöhungen. Diese Unterschiede erlauben es uns, die Auswirkungen der kantonalen Steuerpolitik auf die Vermögensungleichheit innerhalb der Kantone zu messen. In einer Analyse von rund 40 grösseren Steueränderungen im Zeitraum 1976–2015 zeigen wir, dass eine Senkung des Spitzensteuersatzes um 0,1 Prozentpunkte den Vermögensanteil des reichsten Prozents nach fünf Jahren um knapp 1 Prozentpunkt erhöht. Bei den reichsten 0,1 Prozent ist der Effekt mit 1,2 Prozentpunkten noch ausgeprägter, zumal deren Anteil am Gesamtvermögen in den letzten Jahrzehnten im nationalen Durchschnitt «nur» 16 Prozent betrug, während das reichste Prozent im Durchschnitt etwa 34 Prozent aller Vermögen besass.

Anhand dessen schätzen wir, dass sich rund ein Viertel des Anstiegs der Vermögenskonzentration beim reichsten 0,1 Prozent in den letzten fünfzig Jahren mit Vermögenssteuerreformen erklärt. Die Vermögenssteuer hat also durchaus einen Effekt auf die Ungleichheit, allerdings konzentriert sich dieser auf das alleroberste Ende der Verteilung. Beim reichsten Prozent erklären Steueränderungen nur noch knapp einen Fünftel des Anstiegs, bei den reichsten 10 Prozent finden wir keine signifikanten Effekte mehr.

Steuersenkungen für Reiche allein können den Anstieg der Vermögensungleichheit also nicht erklären. Andere Faktoren wie die Abschaffung von Erbschaftssteuern für direkte Nachkommen und die wachsende Konzentration von Kapitalgewinnen bei den Superreichen, etwa aufgrund der steigenden Vermögenspreise im Niedrigzinsumfeld, dürften ebenfalls eine Rolle spielen. Zudem ist der Effekt, den wir im Schweizer Kontext messen, auch den Weg- und Zuzügen als Reaktion auf kantonale Steueränderungen geschuldet.

Isabel Martínez ist Dozentin an der Konjunkturforschungsstelle KOF (ETH Zürich), Samira Marti ist Ökonomin und SP-Nationalrätin; Florian Scheuer ist UBS-Ökonomieprofessor an der Universität Zürich. Sie sind die Autoren von «Der Einfluss von Vermögenssteuern auf die Vermögensverteilung in den Schweizer Kantonen, 1969–2018», in «Social Change in Switzerland 40».

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