Der Text wurde am 23. April 2020 in der Basler Zeitung veröffentlicht
Die Coronakrise zeigt in aller Deutlichkeit, wie wichtig die Pflegefachpersonen für unsere Gesellschaft sind. Mehrheitlich Frauen arbeiten für tiefe Löhne und bei schlechten Arbeitsbedingungen. Doch der Personalmangel und der Bedarf an Pflegeleistungen werden weiter ansteigen. Die Politik muss dringend handeln. Dafür setzt sich der vpod seit Jahren ein.
Während viele von uns aktuell im Homeoffice arbeiten, stehen die Pflegefachpersonen bei der Bewältigung der Corona-Krise in der ersten Reihe. Sie stellen sicher, dass unsere Gesundheitsinstitutionen nicht schlapp machen – aktuell sogar in 12-Stunden-Schichten.
Doch die Belastung wird nach Corona nicht abnehmen, im Gegenteil. Die Alterung unserer Gesellschaft wird zu einer starken Zunahme von chronisch und mehrfach erkrankten Menschen führen. Gleichzeitig bilden wir in der Schweiz nicht einmal die Hälfte der benötigten Anzahl diplomierter Pflegefachpersonen aus. Schlimmer noch: 46 Prozent des ausgebildeten Personals steigen aus dem Beruf wieder aus, ein Drittel gar vor dem 35. Lebensjahr. Bis ins Jahr 2030, also bis in zehn Jahren, fehlen uns in der Schweiz rund 65 000 Pflegende.
Schuld daran sind die schlechten Arbeitsbedingungen und die zunehmende Ökonomisierung des Gesundheitswesens, ein System voller Fehlanreize, bei dem eine Operation rentiert und die Pflege kostet. Diese politisch verordnete Effizienzsteigerung hat zu einer enormen Zunahme der körperlichen und psychischen Belastung geführt. Personal in der Pflege ist heute öfters arbeitsinvalid als Bauarbeiter und psychische Erkrankungen wie Burn-Outs sind viel stark verbreitet.
Hier steht die Politik in der Verantwortung. Diese brandgefährliche Entwicklung lässt sich nur mittels einer besseren Finanzierung durchbrechen. Die Arbeitsbedingungen müssen zwingend verbessert werden, die Löhne müssen steigen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss zunehmen. Es ist keine Frage der Machbarkeit, sondern eine Frage der Wertschätzung, eine Frage des politischen Willens. Wir bleiben dran.
Samira Marti, Ökonomin, Präsidentin VPOD Region Basel, Nationalrätin SP