Alles wird teurer – doch die bürgerliche Mehrheit schaut weg

Alles wird teurer: Die Lebensmittelpreise steigen, der Strom wird teurer, die Krankenkassenprämien und Mieten explodieren regelrecht. Wir haben in den letzten drei Wochen wieder verschiedene Vorschläge lanciert, wie die Menschen finanziell entlastet werden können. SVP, FDP und Mitte haben sie alle abgelehnt, sei es für höhere Prämienentlastungen für die Mittelklasse und die Familien oder für strengere Mietzinskontrollen und mehr bezahlbaren Wohnraum. 

Umfassende SP-Vorschläge für bezahlbare Krankenkassenprämien

Wir haben schon diverse Vorschläge für bezahlbare Krankenkassenprämien gemacht. Unsere Volksinitiative will die Prämienbelastung auf 10 Prozent des Einkommens begrenzen, indem die Prämienentlastungszahlungen durch den Bund entsprechend erhöht werden. Ursprünglich war der Nationalrat mit einem wirksamen Gegenvorschlag von insgesamt 2.2 Milliarden Franken mal auf gutem Weg. Unterdessen haben die Mitte-Ständeräte alles sabotiert. Ende September wurde nun ein mikriger Gegenvorschlag von 356 Millionen verabschiedet. Zum Vergleich: Allein der angekündigte Anstieg der Prämien fürs Jahr 2023 betrug über 2.3 Milliarden. Für 2024 wurde nun bereits der nächste Prämienschock angekündigt: 8.7 Prozent sollen die Prämien steigen. 

Die Bürgerlichen blockieren praktisch alle Vorschläge, um die Kosten gerechter zu verteilen (a) und Kosten einzusparen (b) – und zwar ohne negative Auswirkungen auf die Qualität der Versorgung. 

  • Einkommensabhängige Prämien

Dass in der Schweiz die Krankenkassenprämien immer noch pro Kopf bezahlt werden, steht im Widerspruch zu unserer Verfassung und zu sämtlichen anderen Sozialabgaben wie zur AHV, der Invaliden- oder der Arbeitslosenversicherung. Diese Kopfprämien sind aber auch im Vergleich zu anderen Ländern ungerecht. In der EU bspw. werden drei von vier Euros im Gesundheitssystem gerecht getragen, also einkommensabhängig finanziert, in der Schweiz gerade einmal jeder dritte Franken. Die immer höheren und unsozialen Kopfprämien bedeuten, dass Menschen mit tiefen und mittleren Einkommen bei uns viel stärker unter steigenden Gesundheitsausgaben leiden als im Ausland. Wir schlagen deshalb vor, die Prämien neu einkommensabhängig auszugestalten. Das würde bedeuten, dass Familien und Alleinerziehende bis weit in die Mittelklasse gar nichts, und eine Familie mit einem hohen Einkommen von 190’000 Franken bloss noch 562 Franken (für die ganze Familie!) bezahlen müsste. Unsere Gesundheit würde endlich nach “wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit” finanziert, wie es die Verfassung vorsieht.

  • Sparpotential ist vorhanden: bei den Medikamenten, den Kassen und den Spezialist:innen

Daneben müssen wir endlich auch die Kostentreiber angehen, die nichts zur Qualität unserer Gesundheitsversorgung beitragen, sondern vor allem der Gschäftli-Macherei dienen. Bei uns sind vor allem die horrenden Medikamentenpreise ein riesiges Problem. Sparpotenzial: bis zu 500 Millionen pro Jahr. Denn für Generika bezahlen wir bis zu zweieinhalb mal mehr als in anderen europäischen Ländern – und sie kommen noch zu wenig zum Einsatz. Alain Berset hat diese Reform dem Parlament vorgeschlagen – sie wurde aber von den Bürgerlichen abgeschmettert. 

Mit einer einzigen öffentlichen Krankenkasse könnte zudem der Pseudo-Wettbewerb zwischen den diversen (aktuell 47!) Krankenkassen beendet und unnötige Kosten eingespart werden. Alleine die Verwaltungskosten einer Kasse betragen über fünf Prämienprozente. Aufgrund der vielen Wechsel im letzten September musste zum Beispiel die KPT ihren Personalbestand um ganze 10 Prozente erhöhen. Und nicht zuletzt bieten die absurd hohen Löhne und Boni der Verwaltungsräte der Krankenkassen Sparpotential! 

Mittelfristig müssen wir die Grundversorgung, als Haus- und Kinderärzt:innen, Psycholog:innen, Pflege) stärken und die medizinische Versorgung besser koordinieren, damit es zu möglichst wenigen Mehrfachuntersuchungen kommt. 

Die Mietzinsen steigen in den nächsten Jahren um 15 Prozent an – und die bürgerliche Mehrheit schwächt ausgerechnet den Mieterschutz 

Die Mieten in der Schweiz sind in den letzten Jahren gestiegen, obwohl sie nach den gesetzlichen Vorgaben sinken hätten müssen. Für Menschen mit tiefen Einkommen machen sie bis zu einem Drittel des Einkommens aus. Und anstatt unsere Vorschläge zur Eindämmung der steigenden Mietzinsentwicklung zu unterstützen, haben die Bürgerlichen in dieser Session den Schutz der Mieter:innen sogar noch geschwächt. 

Wir haben uns in einer ausserordentlichen Session für ein Moratorium für missbräuchliche Mieterhöhungen eingesetzt und gefordert, dass die Durchsetzung des Mietrechts (Kostenmiete plus Renditedeckel) regelmässig kontrolliert werden kann. Alles wurde von Mitte-Rechts abgelehnt. 

Stromgesetz für erneuerbare Energien ist unter Dach und Fach

Um einen Strommangel im Winter zu verhindern, wollen wir die Stromproduktion mit Solar, Wind- und Wasserkraft ausbauen und die Effizienz des Stromverbrauchs erhöhen. Mit der definitiven Verabschiedung des Stromgesetzes für erneuerbare Energien sollen solche Anlagen nun deutlich schneller bewilligt und damit auch schneller gebaut werden. Um den ambitionierten Ausbauzielen für erneuerbare Energien schneller nachkommen zu können, haben wir uns für eine Solarpflicht auch auf allen geeigneten Dächern, Fassaden und Parkplätzen eingesetzt. Damit könnte doppelt so viel Strom wie die Schweizer AKWs produziert werden. Leider wurde diese wichtige Massnahme abgelehnt. In Baselland haben wir dazu eine kantonale Initiative lanciert.  

Teilnahme an Nationalrats- und Ständeratssitzungen muss auch bei Mutterschaft möglich bleiben

Dank einer Standesinitiative aus dem Baselbiet ist es neu möglich, dass Frauen an National- und Ständeratssitzungen teilnehmen können, wenn sie im Mutterschaftsurlaub sind. Bisher hatten sie sich damit stets der Gefahr ausgesetzt, die Mutterschaftsentschädigung für ihre berufliche Tätigkeit zu verlieren. Dabei ist es extrem wichtig in einer Demokratie, dass alle gewählten Personen, auch die jungen Frauen, ihre politischen Rechte ausüben können. 

Bundesrat muss Vorschläge machen, wie wir die 24h-Betreuung dem Arbeitsgesetz unterstellen können

Heute sind private Haushaltungen vom betrieblichen Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes ausgenommen. Damit gelten für Hausangestellte weder die Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen noch die Vorschriften zum Gesundheitsschutz. Das führt zu teilweise unhaltbaren Arbeitsbedingungen in der Betreuung insbesondere älterer pflegebedürftiger Personen in den eigenen vier Wänden, namentlich durch sogenannte Pendelmigrantinnen. Diese wohnen typischerweise bei der von ihnen zu betreuenden Person. Die Zuständigkeit besteht während 24 Stunden am Tag mit wenig Zeit zur freien Verfügung und zur Erholung.Nach einem Bundesgerichtsentscheid 2022 ist Betreuung in Privathaushalten dem Arbeitsgesetz unterstellt, wenn eine dritte Instanz (bspw. ein Personalverleih) die Arbeiter:innen vermittelt. Wenn die Anstellung direkt über die Familie abgewickelt ist, jedoch nicht. Diese Ungleichbehandlung ist unhaltbar. 

Ich habe deshalb ein Postulat eingereicht, um den gesamten Betreuungsbereich im Privathaushalt dem Arbeitsgesetz zu unterstellen. Ich konnte eine Mehrheit im Nationalrat davon überzeugen. Der Bundesrat muss nun Vorschläge ausarbeiten, wie die Unterstellung unter das Arbeitsgesetz umzusetzen ist. Das wäre ein grosser Meilenstein für die Arbeitsrechte in der Schweiz.

PS. Es war meine erste Session als Co-Präsidentin der SP-Bundeshausfraktion. Gemeinsam mit Nationalrat Samuel Bendahan bin ich das Amt per 1. September angetreten. Das Bild zeigt uns zusammen mit Nadine Masshardt, Nationalrätin und Vize-Präsidentin der SP-Fraktion. 

Teile diesen Beitrag