Samira Martis Motivationsrede anlässlich der Geschäftsleitungswahlen der JUSO Schweiz, 14. Dezember 2014. Es gilt das gesprochene Wort.
Liebe Genossinnen, liebe Genossen
Ich wuchs in einem kleinen Dorf im Oberbaselbiet auf. Ziefen stimmt zwar vergleichsweise links ab, damit geil ich mich all drei Monate auf, doch die Meyers und Müllers, die „ich hab meinen Tunnelblick und versuch ja nicht, das zu ändern“-Menschen, die Töfflibuebe, die gibt’s auch bei uns. So kam es, dass ich mich in meiner Jugend teilweise in diesen Kreisen bewegte. Natürlich, als linke feministische Zuzügerin weißt du insgeheim, dass du nicht dazugehörst. Und trotzdem machst du mit. Was bleibt denn gross übrig? Natürlich du bist dir bewusst, diese Menschen teilen deinen Wunsch nach einer anderen Welt nicht, finden deinen Gerechtigkeitssinn naiv. Doch das verdrängst du. Meistens.
Bis zu diesem Abend. Es war Silvester, ich erinnere mich ganz genau. Alle standen wir auf der Terrasse und warteten auf das Erklingen der Kirchenglocken. Sie fingen an zu schreien: “3! 2! 1! Alli Linke ab dr Terrasse!”
Gelächter. Höhnische Blicke, doofe Sprüche. Ich schwieg, eine unangenehme Wärme stieg in mir hoch, liess meinen Kopf erröten. Nach diesem Abend wusste ich: Never again.
Ich werde nie mehr meine politische Überzeugung, mein Bedürfnis nach Gerechtigkeit, Freiheit und Solidarität nur annähernd verstecken. Ich werde es nach draussen schreien, kämpfen, stolz darauf sein, von der Hälfte des Dorfes nicht mehr gegrüsst zu werden, stolz darauf sein, wenn Witze gemacht werden.
Und jetzt stehe ich hier. Glücklich und froh zu wissen, dass ich nicht alleine bin. Dass ich meine Überzeugung, meine Leidenschaft und meine Vision mit euch allen teile. Wir wissen, dass an der ständigen Existenzangst, der Furcht, zu versagen und den daraus resultierenden psychischen Krankheiten, die viele Menschen plagen, nicht die Armen, nicht die Fremden, nicht die Frauen, nicht die Bedürftigen schuld sind. Nein.
Wir wissen: Es ist unser bürgerliches, kapitalistisches, heterosexistisches, postkoloniales, rassistisches, nationalstaatlich organisiertes System, dass uns Korsetten auflegt und unter dem Deckmantel der freien Marktwirtschaft und ständiger Konkurrenz permanent stresst und gegeneinander ausspielt.
Wir wissen es! Und nun müssen wir es herausschreien, in die kalte Silvesternacht! Und danach von der Terrasse springen! Nein, im Ernst. Es ist unsere Aufgabe, unsere Überzeugung nach aussen zu tragen, damit die Arbeiterinnen und Arbeiter wieder uns, und nicht die SVP wählen, damit sie mit uns gemeinsam für eine bessere Welt kämpfen. Wir müssen offensiv sein, die Bürgerlichen demaskieren, den Menschen die Fehler, die Lügen der neoliberalen Logik aufzeigen. Wir sind die Anführer und Anführerinnen der Linken in der Schweiz. Wir übernehmen die Vorreiter_innenrolle!
Für diesen Kampf brauchen wir eine starke Basis. Denn ohne euch geht nichts. Ihr seid das Fundament unserer Bewegung, wir alle sind die JUSO. Davon überzeugt möchte ich meinen Teil in der Geschäftsleitung beitragen und danke euch für euer Vertrauen. Freundschaft!