Wintersession 2020

Die Wintersession war meine erste Session als Vize-Präsidentin der SP-Fraktion. Das Dauerthema war natürlich Corona und damit auch das Trauerspiel der bürgerlichen Parteien. Wir konnten zwar höhere Kurzarbeitsentschädigungen für Menschen mit tiefen Einkommen durchsetzen. Aber wichtige Unterstützungsmassnahmen für die KMU wurden abgelehnt oder zurückgestutzt. Während Monaten wurde mit ihnen die Konzernverantwortungsinitiative bekämpft – jetzt werden sie im Stich gelassen.

GELD FÜR DIE KLEINEN FEHLT…

Im Covid-Gesetz haben die arbeitenden Menschen und die KMU mehrere schwere Niederlagen erlitten. Nach Monaten der Diskussion gibt es keinen Teilmieterlass für KMU, obwohl 40% der Mieter*innen bisher noch keine einvernehmliche Lösung mit ihren Vermieter*innen finden konnten. Die Mietkosten drohen für viele zur Konkurs-Guillotine zu werden. Auch bei der Wiedereinführung der Covid-Kreditbürgschaften hat der Nationalrat sich gegen die SP-Vorschläge ausgesprochen. Und bei der Härtefallregel haben die Bürgerlichen gleich mehrfach an den Bedürfnissen der KMU vorbeipolitisiert:

  • Sie haben die Gesamtkosten der à fonds perdu-Zahlungen (Transfers ohne Rückzahlungen) und Kredite nach oben begrenzt – Parlament und Bundesrat tun so, als ob sich die Schwere der Wirtschaftskrise um ihre Knausrigkeit kümmern würde. 

  • Ein Antrag der SP auf à fonds perdu-Zahlungen bis zu 30% des Umsatzes bei schweren Einbussen wurde abgelehnt.

  • Eine grosszügiger Ausgleich von 50% der Fixkosten (Mieten, Löhne etc.) von Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten wurden auch abgelehnt.

Einzig bei der Kurzarbeit gab es Erfolge. Personen mit Einkommen unter 3470 Franken erhalten dank dem Einsatz der SP 100% Kurzarbeitsentschädigung, auch befristete Arbeitsverhältnisse können rückwirkend abgerechnet werden. 

…ABER 250 MIO./Jahr FÜRS Grosskapital SIND SICHER NOCH DA

Geht es um die Grossen, dann zeigt die rechte Nationalratsmehrheit plötzlich ein grosses Herz. Von GLP bis SVP haben Parlamentsmitglieder dafür gestimmt, über die Senkung der Stempelsteuer diskutieren zu wollen – allerdings erst später, weil eine indirekte Subvention für den Finanzmarkt von 250 Mio. Franken pro Jahr mitten in einer Wirtschaftskrise doch etwas zu dreist wäre. Die Prioritätensetzung der Bürgerlichen ist aber so oder so ein Hohn für alle Beschäftigten und Selbständigen in der Schweiz. Sie wollen noch eher die letzte Abgabe für den Finanzsektor abschaffen (analog zur Mehrwertsteuer für die Normalos, einfach nur im Promille-Bereich), bevor den Kleinen geholfen wird. Nun ist die Hoffnung beim Ständerat, der die Übung noch sistieren kann.

DIKTAT DER LEEREN KASSEN GEFÄHRDET WIRTSCHAFT UND GESUNDHEIT

Das “Diktat der leeren Kassen” von Ueli Maurer gefährdet nicht nur unsere Wirtschaft. Die Bürgerlichen setzen es ganz gezielt ein, um uns gegen gesundheitliche Massnahmen aufzuhetzen: Nicht die Austerität in Bern, sondern die Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie seien für die existenzielle Bedrohung von KMU und Beschäftigten verantwortlich. Dabei hätte die Schweiz problemlos das Geld, um sämtliche Unternehmen, Selbständigen und Beschäftigten für die Dauer der Pandemie zu entschädigen. Damit schützen wir Gesundheit und Wirtschaft, denn praktisch alle Ökonom*innen sind sich einig: Wenn wir der Wirtschaft helfen wollen, müssen wir das Virus erfolgreich bekämpfen – so wie es Länder von Taiwan über Finnland bis Neuseeland seit Monaten machen. 

EHE FÜR ALLE REALITÄT – ABER NICHT OHNE DISKRIMINIERUNG

Die SP setzt sich seit Jahrzehnten dafür ein, dass die Ehe für alle Menschen in der Schweiz geöffnet wird. Die CVP hat sich bis zuletzt dagegen gewehrt, indem mit dubiosen Argumenten gefordert wurde, dass es eine Verfassungsänderung braucht. Damit wären die Hürden für ein elementares Grundrecht noch höher gelegt worden. Wir konnten dieses durchschaubare Manöver zum Glück stoppen. Allerdings diskriminiert auch das vorliegende Gesetz immer noch frauenliebende Frauen: Frauenpaare bzw. vor allem ihre Kinder erhalten zwar eine rechtliche Absicherung für Samenspenden – aber nur, wenn diese bei einem Gesundheitsinstitut erfolgt. Das kann bis zu 10’000 Franken kosten. Deshalb greifen viele Lesben auf private Samenspenden zurück. Diese Kinder haben auch in Zukunft keine rechtliche Absicherung. Hetero-Paare (die ja manchmal auch Samenspenden in Anspruch nehmen) haben diese Rechte schon lange, und zwar durch die Vaterschaftsvermutung. Was für eine unnötige Diskriminierung.

PESTIZIDE: ERSTE POSITIVE SCHRITTE

Unter dem Druck zweier Volksinitiativen hat der Nationalrat auch das Thema Pestizide behandelt. In der Schweiz trinken ca. 1 Mio. Menschen Trinkwasser mit Pestiziden, neben dem Grundwasser sind auch Oberflächengewässer grossflächig belastet mit anderen ungesunden Chemikalien. Der Nationalrat ist dank unserem Einsatz gegen den Widerstand der Bürgerlichen und der Bauernlobby dem Ständerat gefolgt. So konnten erstmals konkrete Absenkungspfade für Pestizide in ein Gesetz geschrieben werden – minus 50% bis 2027. Im Gewässerschutzgesetz konnten wir eine Verschlechterung des Status Quo verhindern, indem mit der Unterscheidung von relevanten und nicht-relevanten toxischen Stoffen (Abbauprodukte von Pestiziden) das Vorsorgeprinzip im Gewässerschutz untergraben würde. Allerdings haben wir es nicht geschafft, solche Pfade auch für den Einsatz von Chemikalien wie Stickstoff und Phosphor zu erreichen. Das Gesetz ist aber noch nicht fertig beraten, mit den beiden hängigen Initiativen bleibt das Thema auch in der Öffentlichkeit. 

GEWALTBETROFFENE GEFLÜCHTETE ERHALTEN UNTERSTÜTZUNG

Die staatspolitische Kommission hat auf meinen Antrag hin eine Motion eingereicht, die sicherstellen will, dass in den Bundesasylzentren die Opfer von Gewalt identifiziert werden und ihnen der Zugang zu pychologischer und psychiatrischer Unterstützung sichergestellt ist. Diese Motion wurde im Nationalrat angenommen. Wir hoffen, dass diese wichtige Hilfe besonders für Frauen und Kinder mit traumatischen Erfahrungen auch durch den Ständerat kommt. Hier findest du ein Video von meinem Votum als Kommissionssprecherin dazu.

EINTRETEN AUF REVISION DES SCHÄDLICHEN AUSLÄNDER- UND INTEGRATIONSGESETZES VERHINDERT

Einen kleinen, aber wichtigen Sieg gab es im Bereich Asyl. Der Bundesrat wollte den Vorläufig Aufgenommenen sämtliche Reisen ins Ausland verbieten. Das sind 50’000 Menschen in der Schweiz. 90% von ihnen bleiben dauerhaft bei uns. 14’000 von ihnen leben schon 7 Jahre in der Schweiz. Der Bundesrat wollte ihr Recht auf Bewegungsfreiheit (das ist in der Bundesverfassung festgeschrieben!) und damit ihr Recht auf Familienleben nochmals stärker einschränken. Von Menschen, die Sozialhilfe brauchen, weil die Stelle als Ingenieur mit Geschäftsreisen verbunden ist, zu isolierten Familien: Diese Reiseverbote sind unnötig und reine Schikane. Nicht umsonst sind die Diskussionen rund um die Weihnachtsfeierlichkeiten so hoch gegangen. Hier kannst du mein Statement nachschauen.

EINGEREICHTE VORSTÖSSE

Ich habe nachgefragt, wie viele evakuierte Kinder aus Moria unterdessen in der Schweiz angekommen sind. 

Ich wollte vom Bundesrat wissen, ob der Internetzugang in allen Asylzentren gewährleistet ist – während Corona und Home-Schooling besonders wichtig.

Ich will, dass der Bundesrat darüber berichten muss, ob und inwiefern das Kindeswohl in der Nothilfe für abgewiesene Asylsuchende gewährleistet ist. Erfreulicherweise konnte ich das Postulat mit breiter überparteilicher Unterstützung einreichen. 

Ich habe rund um die Steuerpflicht von Grenzgänger*innen während Corona eine Interpellation eingereicht. Es gibt da einige offenen Fragen, und gerade für unsere Region sind diese Arbeitskräfte extrem wichtig. 

In Zusammenarbeit mit dem Projekt engage.ch habe ich ebenfalls eine Interpellation zum Thema Schulische Sensibilisierungs- und Informationsarbeit über Vielfalt an Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen eingereicht. Diese wichtige Arbeit wird oft von privaten Vereinen getragen. Ich will wissen, was der Bundesrat tut, damit diese auch in Zukunft sichergestellt ist. 

Schliesslich wollte ich vom Bundesrat wissen, was er tut, um Vorbildung und berufliche Kompetenzen von Geflüchteten aus dem Heimatstaat vor der Flucht zu erkennen. Wir haben einen akuten Personalmangel im Gesundheitsbereich und gleichzeitig geflüchtete Menschen, die Sozialhilfe beziehen müssen, obwohl sie gerne arbeiten möchten. Im europäischen Vergleich macht die Schweiz zu wenig, um diese Kompetenzen systematisch zu erkennen und zu fördern, gerade auch im tertiären Bildungsbereich

Zu guter Letzt wollen wir wissen, welche Pläne der Bundesrat bezüglich der mittel- und längerfristigen Stützung der Wirtschaft nach der Corona-bedingten Krise hat. Bereits die erste Welle der Pandemie führte in der Schweiz zur schwersten Rezession seit 45 Jahren. Nach der zweiten Welle, die wir derzeit erleben, dürfte sich die Ausgangslage für eine Erholung der Wirtschaft als noch schwieriger erweisen, insbesondere wenn es Ende Jahr zu einer Konkurswelle kommt und die lokale Wirtschaftsstruktur erodiert. 

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