Sommersession 2019

Gestern endete die Sommersession des Bundesparlaments in Bern. Es wurden wichtige Vorlagen debattiert. Mein Fazit: Es braucht dringend andere Mehrheiten, damit eine soziale und klimafreundliche Politik gemacht wird. Im folgenden gehe ich auf ein paar Vorlagen ein.

Die Session startete mit einem migrationspolitischen Geschäft, das wir in der staatspolitischen Kommission behandelt haben. Es geht dabei um die Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Die Schweiz als assoziierter Schengen-Staat muss die entsprechenden Rechtsgrundlagen anpassen, damit wir die Neuerungen ebenfalls übernehmen können. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes “Entry-Exit-System”, kurz EES. Es ist Kernstück des Projekts EU Smart Borders, das wirksamere Kontrollen an den Schengen-Aussengrenzen ermöglichen soll. Faktisch werden alle Menschen, die in die EU oder eben in assoziierte Staaten wie die Schweiz einreisen und aus Drittstaaten kommen (egal, ob visumspflichtig oder nicht), in dem elektronischen Datensystem EES registriert und gespeichert – inklusive Fingerabdruck. Jede zusätzliche Grenzüberquerung innerhalb von Europa wird ebenfalls festgehalten. Zugriff auf die Daten haben Grenzkontrollen, Visumsbehörden und Strafverfolgungsbehörden bei terror- oder schweren Straftaten. Es ist damit viel einfacher, Overstayers zu lokalisieren und zu verweisen. Die Daten werden 3 Jahre gespeichert, bei Overstayers 5 Jahre. Die Heinrich-Böll Stiftung spricht von 57 Millionen zusätzlich erfassten Fingerabdrücken. Begründet wird die Vorlage in der EU damit, Terrorismus und illegale Migration bekämpfen zu wollen. Die SP-Fraktion hat die Vorlage grossmehrheitlich angenommen, unter anderem mit der Begründung, dass wir bei einem Nein aus Schengen und auch aus Dublin rausfallen würden (wobei die SVP-Fraktion mit nur einer Gegenstimme dem Geschäft zugestimmt hat). Ich habe die Vorlage abgelehnt. Bei einer so riesigen Datensammlung ist der Datenschutz schwierig zu gewährleisten. Zudem dient es vor allem der Fütterung einer militärisch-industriellen Maschine und der Geldmacherei durch Angst vor Terrorismus und illegaler Migration.

Mit solchen Vorlagen wird die Situation von Sans-Papiers in Europa massiv verschärft und es wird eine falsche Illusion der Abdichtung der Festung Europas propagiert. Faktisch wird der Migrationsapparat noch repressiver. Betrieben wird das ganze durch die EU-Agentur euLISA, über die nur eine schwache parlamentarische Kontrolle herrscht, und autonom operieren kann, inkl. Verwaltungsrat und CEO (analog zu Frontex).

Illegale Ausschaffungen in Kroatien

Zum Thema Asylpolitik und Dublin-Verfahren habe ich in der ersten Sessionswoche eine Interpellation eingereicht. SRF-Reporter von der “Rundschau” haben nämlich aufgedeckt, dass Kroatien das Non-Refoulement-Prinzip verletzt. Sie dokumentierten an zwei Tagen vier sogenannte Push-Backs, wovon rund 70 Menschen betroffen waren. Ich habe deshalb den Bundesrat u.a. gefragt, ob die Schweiz im Rahmen von Dublin- oder Drittstaaten-Verfahren weiterhin Geflüchtete nach Kroatien überstellt und wie er sicherstellt, dass bei diesen Rückführungen das Non-Refoulement-Prinzip in Kroatien nicht verletzt wird. Denn ich bin der Meinung, dass wir Geflüchtete nur nach Kroatien zurückschicken dürfen, wenn dort die Rechtsstaatlichkeit garantiert werden kann. Dazu gehört der z.B. Zugang zu Wohnraum, zu medizinischer Infrastruktur und ein Zugang zu Rechtsschutz bei erlittener Gewalt durch die Polizei.
> Den Vorstoss findest du hier.

Verkehr und Infrastruktur

Mit dem strategischen Entwicklungsprogramm Eisenbahninfrastruktur. Ausbauschritt 2035 hat der Nationalrat insgesamt knapp 13 Milliarden gesprochen für den Ausbau des Schienennetzes. Zwei zusätzliche Projekte wurden aufgenommen: Winterthur Grüze Nord und Thun Nord. Der Ständerat hat den Aufstockungen noch in der Sommersession ebenfalls zugestimmt. Allerdings lehnte die kleine Kammer die Aufnahme der unausgereiften Autobahnprojekte im Rahmen des Ausbauschritts 2019 ab. Dazu gehört auch der Muggenbergtunnel, der im Nationalrat aufgenommen wurde. Die betroffenen Projekte sind alle zu wenig fortgeschritten, nicht einmal die realen Kosten sind bekannt. Es wäre darum finanz- und zudem auch klimapolitisch unverantwortlich, noch mehr Geld für Strassenbau auszugeben.  

Arbeitslosigkeit Ü50 bekämpfen

Mit einer Motion forderte die BDP, dass der Bundesrat die Benachteiligungen der älteren Generation in der beruflichen Vorsorge (BVG) abschaffen und bei den Altersgutschriften einen Einheitssatz einführen sollte. Die Motion wurde mit 165 Ja-Stimmen bei 12 Enthaltungen gutgeheissen. Ein guter Schritt in die richtige Richtung!

Konzernverantwortungs-Initiative: Zum Schutz von Mensch und Umwelt.  

In der zweiten Sessionwoche war die Konzernverantwortungs-Initiative traktandiert. Die Kommission des Nationalrates beantragte, am indirekten Gegenvorschlag festzuhalten. nach etlichen Voten und langer Diskussion folgte der Nationalrat schliesslich mit einer klaren Mehrheit der Empfehlung seiner Kommission.
> Das Video von meinem Statement im Rat findest du hier.

Lobbying & Transparenz: Der bürgerliche Block macht dicht

Mit einer parlamentarischen Initiative von SP-Ständerat Didier Berberat wollte der Ständerat Transparenzvorschriften für Bundeshaus-Lobbyisten einführen – allerdings nur sehr beschränkt. Nach der Vorlage müssten professionelle Lobbyistinnen und Lobbyisten, die im Parlamentsgebäude arbeiten, ihre Auftraggeber bekannt geben. Wir haben in der Kommission etliche Anträge zur Verschärfung (u.a. die Offenlegung der bezogenen Mandatsentschädigungen)  gestellt, allerdings ist die Kommission nicht einmal auf das Geschäft eingetreten, hat es direkt abgelehnt und damit die Detaildiskussion verhindert. Der Nationalrat ist in der letzten Sessionswoche seiner Kommission gefolgt. Es gibt also keine Transparenzvorschriften bei den Lobbyisten.

Am selben Tag wurde die parlamentarische Initiative von SVP-Nationalrat Thomas Aeschi diskutiert: Das Verordnungsveto. Damit soll das Parlament das Recht erhalten, gegen Verordnungen des Bundesrates das Veto einzulegen. Wir haben im Vernehmlassungsverfahren als einzige Partei die Vorlage abgelehnt. Das Verordnungsveto verletzt die Gewaltenteilung und stärkt einmal mehr mächtige Lobby-Organisationen, so könnten sich zum Beispiel Wirtschaftsverbände erfolgreich gegen wirksame Verordnungen im Umweltschutzbereich (Landwirtschaft) wehren. Es verzögert zusätzlich die Abläufe und schwächt die Handlungsfähigkeit der politischen Institutionen.

Trinkwasser- und Pestizid-Initiative

Die beiden Initiativen wollen das Trinkwasser und die natürlichen Lebensräume schützen. Denn es gibt immer mehr Pestizide und Nitrate im Trinkwasser und in Lebensmitteln, und wegen der Akkumulation auch in solchen, die biologisch produziert wurden. Die Insekten sterben, die Fischfänge gehen massiv zurück. Neben den Umweltverbänden und dem Fischereiverband warnt auch der Verband der Gas- und Wasserversorger SVGW vor der ansteigenden Verschmutzung des Wassers. Die Trinkwasser-Initiative fordert deshalb, dass Direktzahlungen nur noch an Landwirtschaftsbetriebe ausbezahlt werden, die pestizidfrei produzieren, einen Tierbestand haben, der mit “auf dem Betrieb produzierten” Futter ernährt werden kann und keine Antibiotika prophylaktisch einsetzen. Die Pestizid-Initiative will den Umweltschutzartikel in der Verfassung ergänzen mit einem Verbot des Einsatzes von synthetischen Pestiziden in der Schweiz und einem Verbot der Einfuhr von Lebensmitteln die synthetische Pestizide enthalten oder mithilfe solcher erzeugt wurden. Der Nationalrat hat in der letzten Woche die beiden Initiativen und die direkten Gegenvorschläge abgelehnt. Das ist verantwortungslos. Angesichts der alarmierenden Befunde der Wasserfachleute muss nämlich dringend gehandelt werden.

Ohrfeige für die MieterInnen und Mieter

Der Nationalrat hat in der letzten Sessionswoche eine Vorlage des Ständerates abgelehnt. Diese hätte den Bundesrat damit beauftragt, eine ausgewogene Revision der Regeln der Mietzinsfestlegung vorzubereiten – Im Interesse der Mietenden und Vermietenden. Stattdessen hat der Nationalrat nun drei parlamentarische Initiativen der Immobilienlobbyisten angenommen. Dabei soll die anrechenbare Rendite auf das investierte Kapital von 0.5% auf 2% erhöht werden. Dies führt zu massiven Mieterhöhungen, die nicht mehr als missbräuchlich angesehen würden – MieterInnen könnten somit die Erhöhung nicht mehr anfechten. Sobald keine Hinweise auf Wohnungsmangel mehr bestehen, soll zusätzlich das heutige Recht, Missbräuche anzufechten, vollständig aufgegeben werden. Dies ist inakzeptabel. 

Vaterschaftsurlaub

Diese Session hat der Ständerat die Initiative für einen Vaterschaftsurlaub (20 Tage) behandelt. Obwohl meiner Meinung nach der Begriff Urlaub etwas unglücklich gewählt ist, da die Erziehung und Pflege von Kindern wohl alles andere als Ferien sind, unterstütze ich natürlich das wichtige sozialpolitische Anliegen. Der Ständerat ist nun seiner Kommission gefolgt und hat dem Gegenvorschlag (10 Tage) zugestimmt. Der Bundesrat lehnt beide Versionen ab. Das Geschäft kommt jetzt zum Nationalrat.

Meine eingereichten Vorstösse

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