Rede anlässlich des 1. Mai 2015 in Sissach.
Es gilt das gesprochene Wort.
Solidarität statt Ausgrenzung
Liebe Genossinnen, liebe Genossen, liebe Anwesende
Schön, seid ihr hier. Schön, feiert ihr den Tag der Arbeit. Schön, zeigt ihr Courage und markiert heute Präsenz, um zu zeigen: wir lassen uns nicht alles gefallen. Unter dem Motto „Solidarität statt Ausgrenzung“ appellieren wir heute an die Bevölkerung: haltet zusammen und steht für eure Rechte ein!
Der Druck auf die Bevölkerung nimmt zu. Die Mieten steigen, bezahlbarer Wohnraum verschwindet, die Krankenkassenprämien explodieren, gleichzeitig wird bei den Prämienverbilligungen Geld gespart und der Druck am Arbeitsplatz erhöht.
Durch den Entscheid der Schweizerischen Nationalbank vom 15. Januar, den Franken-Euro-Mindestkurs aufzuheben, ist dieser Druck nochmals angestiegen. Die Bürgerlichen nutzen die Situation aus und wenden die Schock-Strategie an, um neoliberale Forderungen erfolgreich durchzubringen. Mit dem Sticker „Starker Franken“ werden Entlassungen, Auslagerungen, Arbeitszeitverlängerungen, Euro-Löhne und Lohnsenkungen durchgeboxt. Gleichzeitig verlangen sie die Abkehr von der Energiewende, wollen die Zweitwohnungsinitiative rückgängig machen und die Frauenquote aufheben.
Dagegen müssen wir uns wehren, und zwar vehement. Dabei müssen wir die Frage stellen: Wie konnte der Franken so stark werden?
Bereits 2011 stieg der Wert des Frankens gegenüber dem Euro massiv. Vor dem Hintergrund der europäischen Krise sind grosse Mengen an Kapital in Ermangelung anderer Anlagemöglichkeiten und aus Angst vor Verlusten in die Schweiz geflossen. Spekulanten haben auf den Wechselkurs gezockt und der Finanzplatz hat von enormen Zuflüssen profitiert.
Doch der Werkplatz Schweiz – und mit ihm die Schweizer Bevölkerung – litt gleichzeitig unter dem immer stärker werdenden Franken, der seither über dem volkswirtschaftlich gerechtfertigten Kurs liegt. Im September 2011 hat dann die Schweizerische Nationalbank auf grossen Druck, vor allem von SP und Gewerkschaften, die Notbremse gezogen und führte einen Wechselkurs von 1.20 ein. Dank dem Entscheid konnte die Schweizer Exportwirtschaft wettbewerbsfähig bleiben und die Schweiz blieb mehrheitlich von den negativen Folgen der Finanzkrise verschont.
Mit der Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurses im Januar dieses Jahres haben nun also die Spekulanten, der Finanzplatz und die monetaristischen Ideologen obsiegt. Dem müssen wir uns bewusst sein. Und dementsprechend reagieren.
Wir verlangen, dass Währungsgewinne direkt an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben werden müssen. Wir wehren uns mit allen Mitteln gegen die Ausweitung der Arbeitszeiten und gegen Lohnkürzungen und fordern die Stärkung der Arbeitslosenversicherung sowie der Einsatz von Weiterbildungsprogrammen.
Doch es ist entscheidend, dass wir auch einen Schritt zurückgehen und die Situation ganzheitlich betrachten. Wieso flossen denn solch grosse Mengen an Kapital in die Schweiz? Weil es rund um uns herum tobt. Weil gewalttätige Konflikte und Kriege diesen Planeten beherrschen, weil die Austeritätspolitik der EU die Menschen in prekäre Lebenssituationen bringt, weil die soziale Ungleichheit global neue Dimensionen annimmt, weil die Wirtschaft tief in der Krise steckt. In dieser Situation ist der Finanzplatz Schweiz der mit Abstand sicherste Hafen für alle Anleger und Spekulanten auf der Suche nach Profit. Der dadurch überbewertete Franken führt nun dazu, dass der Schweizer Büezer und die Schweizer Büezerin vermehrt unter Druck geraten.
Die Reaktion vieler ist Fremdenfeindlichkeit und Abschottung – und zwar aus einer verständlichen Angst vor den globalisierten Wirtschaft- und Finanzmärkten. Dieser Fehlschluss ist verheerend. Dem müssen wir entgegenwirken – und das ist ein sehr ernstgemeinter Appell: wir alle müssen gegen diese ansteigende Fremdenfeindlichkeit antreten. Wir alle müssen aufzeigen, warum diese Sündenbockkultur grundlegend falsch ist, wir alle müssen uns dagegen engagieren.
Dieses Engagement beginnt damit, an den 1. Mai zu kommen. Dieses Engagement bedeutet, politischen Diskussionen im Büro, auf dem Spielplatz, beim Grillieren nicht auszuweichen. Dieses Engagement heisst: aktiv für unsere Rechte kämpfen.
Mit uns meine ich nicht nur die Schweizer Büezer und Schweizer Büezerin. Sondern ich meine in erster Linie uns Menschen. Weltweit.
Mit unseren Rechten meine ich auch, aber nicht nur: gerechte Löhne, sichere Renten, Arbeitszeitreduzierung aufgrund der Produktivitätssteigerungen, keine berufsfremde Arbeit in der Berufslehre, demokratische Mitbestimmung in der Wirtschaft und Lohngleichheit zwischen Frau und Mann.
Aber gleichzeitig meine ich vor allem auch: das Recht auf Bewegungsfreiheit, das Recht auf ein menschenwürdiges Leben, das Recht auf Asyl, der Schutz der Familie, die Religionsfreiheit, die Meinungsfreiheit, das Recht auf soziale Sicherheit, Arbeit und gleichen Lohn, das Recht auf Bildung, das Recht auf Leben und Freiheit. Kurz: die Menschenrechte.
Wir alle wissen: die Partei, die Angst schürt und Fremdenhass salonfähig gemacht hat, die Partei, die Sparmassnahmen auf Kosten der Bevölkerung durchboxt und die Forderung nach Lohngleichheit bestenfalls belächelt, die Politiker, die illegal Asylsuchende als Putzfrau anstellen, haben ein neues Projekt: die SVP greift neuerdings auch die Menschenrechte an.
Deshalb braucht es das Engagement von uns allen. Wir müssen unsere Forderungen nach fairen Löhnen und sicheren Renten mit der Forderung nach der weltweiten Durchsetzung der Menschenrechte verbinden. Wir müssen in Gesprächen über soziale Ungleichheit innerhalb der Schweiz über die globale Situation sprechen und dabei klarstellen, dass es nicht die verzweifelten, verfolgten Flüchtlinge sind, die unsere Lebensqualität und unseren Arbeitsplatz bedrohen, sondern ein Wirtschaftssystem, dass Reiche immer reicher macht und die soziale Ungleichheit exponentiell verschärft. Und dass es die SVP ist, die dieses Wirtschaftssystem stützt und radikalisiert, indem sie für Privatisierungen, Deregulierungen und Liberalisierungen auf allen Ebenen einsteht.
Genossinnen und Genossen, Kolleginnen und Kollegen
Es ist an uns, die Lügen der SVP zu entlarven. Es ist an uns, der arbeitenden Bevölkerung die wirklichen Ursachen des steigenden Drucks am Arbeitsplatz aufzuzeigen. Es ist an uns, uns zu engagieren. Nur so können wir dem ansteigenden Fremdenhass in unserer Bevölkerung entgegenwirken. Ganz nach dem Motto: Solidarität statt Ausgrenzung.