Der Kriegsschock sitzt uns allen in den Knochen
Wie wahrscheinlich die meisten von uns, bin ich immer noch tief geschockt wegen des verbrecherischen Angriffskriegs Putins auf die Ukraine. Ich denke an die Menschen in Kyiv, Charkiv oder Mariupol, die sich in U-Bahnstationen verschanzen; an Familien, die auf dem Fluchtweg den russischen Kriegsverbrechen ausgesetzt sind oder an die Menschen, die für ihre Freiheit mit Waffen kämpfen. Aber auch an die russischen Teenager-Soldaten und ihre Eltern, die von einem nationalistischen und grössenwahnsinnigen Diktator belogen und ins Elend getrieben werden. Als Mensch lässt mich das natürlich nicht kalt, und ich bin überzeugter denn je, dass die Souveränität aller Völker und Frieden nur gemeinsam erreicht werden können. Deshalb habe ich auch in der vergangenen Session versucht, die begrenzten Möglichkeiten im Bundeshaus so gut wie möglich für die Menschen in der Ukraine zu nutzen.
Menschen auf der Flucht keine Steine in den Weg legen
Besonders wichtig ist nun, dass wir solidarisch mit den geflohenen Menschen aus der Ukraine sind. Die SP setzt sich dafür ein, dass die Menschen so rasch wie möglich Zugang zum Arbeitsmarkt und Sozialstaat erhalten. Sie brauchen gute Unterkünfte und soziale Sicherung. Für ein würdevolles Leben ist aber auch besonders wichtig, dass wir ihre Diplome anerkennen und ihnen so rasch Zugang zu einem geregelteren Alltag verschaffen. Wir fordern auch vollständige Reisefreiheit ins europäische Ausland, damit Familien und Freunde im Austausch miteinander stehen können. Gleichzeitig müssen wir enorm aufpassen, dass andere Asylsuchende und Menschen auf der Flucht nicht vergessen werden. Die Werte der Zivilisation verlangen von uns, dass wir Menschen unabhängig ihrer Herkunft bei uns die besten Möglichkeiten geben – egal ob sie aus Syrien, der Ukraine, Afghanistan oder Eritrea kommen.
Ein Nein zum Frontex-Bundesbeschluss ist ein Ja zu legalen Fluchtwegen
Im Mai stimmen wir über die Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes (Frontex-Verordnung) ab. Im Kern geht es darum, der EU-Grenzschutzbehörde Frontex deutlich mehr Geld und Personal für den Schutz der Aussengrenzen zur Verfügung zu stellen. Im ganzen Kampf gegen sogenannt illegale Migration ging eines aber völlig unter: Es werden keine legalen Fluchtwege geschaffen, obwohl das gemäss UNO-Migrationspakt das Ziel der Flüchtlingspolitik sein sollte. Von unseren europäischen Freunden werden wir immer wieder gebeten, mehr humanitäre Flüchtlingskontingente zu sprechen und so beispielsweise Kinder aus Moria aufzunehmen – bisher vergeblich. Immer mehr Kirchen, NGOs und dutzende Gemeinde und Städte, allen voran Basel-Stadt, Zürich und Bern fordern eine Abkehr von dieser knausrigen Migrationspolitik, die unsere geografische Lage mitten in Europa schamlos ausnutzt. Eine Ablehnung des Frontex-Bundesbeschlusses ermöglicht es, den Beschluss zu überarbeiten für eine proeuropäischere Vorlage inkl. legalen Fluchtwegen in die Schweiz.
Dank SP-Druck zieht die Schweiz bei den Sanktionen nach langem Zögern nach
Ich habe kurz vor der Session in der Staatspolitischen Kommission dafür gekämpft, dass wir eine Erklärung zum Krieg verabschieden. Damit wollten wir den Bundesrat dazu bringen, die Sanktionen der EU umfassend zu übernehmen. Nach vier peinlichen Tagen konnte sich die Regierung endlich durchringen. Doch wir müssen noch immer genau hinschauen. Gerade wenn es um die Oligarchen geht, die zuerst zusammen mit Putin die Bevölkerung Russlands beraubt haben und ihm nun im Krieg gegen das nächste Volk treu zur Seite stehen, muss die Schweiz die Massnahmen weiter verschärfen. So wohnt beispielsweise Andrey Melnichenko in St. Moritz in der Schweiz, einer der zehn reichsten Bewohner der Schweiz mit einem Vermögen von 15 Milliarden und ein enger Freund Putins. Er war aber bis am Mittwoch noch nicht auf der Sanktionsliste der Schweiz, obwohl er bei der EU schon über eine Woche sanktioniert war. Ich versuchte, den Druck hochzuhalten. Länder wie Italien oder Frankreich sind währenddessen dran, Yachten und andere Luxusgüter der sanktionierten Oligarchen zu beschlagnahmen. Die Schweiz trödelt aber weiterhin, verzichtet auf die Einsetzung einer Task-Force, die Oligarchenvermögen aufspüren und einfrieren soll, und stützt sich auf eine simple “Meldepflicht” zur Durchsetzung der Sanktionsmassnahmen. Wir bleiben dran.
Aufenthaltsrechtliche Privilegien für Putins Kriegsoligarchen?
In der Schweiz kann jemand eine Ausnahmebewilligung für den Aufenthalt in der Schweiz erhalten, wenn er oder sie aus einem Drittstaat (ausserhalb EU / EFTA) kommt und sehr reich ist. Aus “fiskalischem Interesse” dürfen solche Personen dann in der Schweiz sein. Die meisten sitzen im Tessin, Waadt, Zug und Genf, oftmals pauschalbesteuert. Mindestens ein Drittel aller dieser Personen kommen aus Russland. Mit einem Vorstoss möchte ich herausfinden, was wir dagegen tun können und ob der Bundesrat bereit ist, bei den Oligarchen, die auf der Sanktionslisten stehen, das Aufenthaltsrecht zu entziehen.
Energieversorgung ist Sicherheitspolitik
Der Krieg zeigt: Die energiepolitische Abhängigkeit von ausländischem Öl und Gas wird vermehrt zu einem sicherheitspolitischen Risiko. Deshalb müssen wir den ökologischen Umbau massiv beschleunigen, um unsere energiepolitische Unabhängigkeit zurückzugewinnen. Die SP hat dazu schon diverse Vorschläge gemacht. Wichtig ist vor allem der Ausbau des Gebäudeprogramms, um schneller Heizungen zu ersetzen und Häuser besser zu dämmen. So können wir den Bedarf an Heizöl und Erdgas deutlich reduzieren. Auch die Entwicklung der Kaufkraft beobachten wir sehr genau. Denn obwohl die Corona-Krise dank Kurzarbeit und umfassenden Stützungsmassnahmen relativ erfolgreich bewältigt worden ist, wird die Kaufkraft der tiefen und mittleren Einkommen wohl stagnieren oder sinken. Mieten und Krankenkassen belasten diese Haushalte mit Abstand am meisten. Dort müssen Entlastungen vorgenommen werden, wenn sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert.
Ausblick bis zur nächsten Session
In dieser neuen Rubrik werde ich euch jeweils berichten, was als nächstes in meiner parlamentarischen Agenda und in der nationalen Politik ansteht.
24h-Betreuung unter das Arbeitsgesetz!
Vorwiegend junge Frauen aus Osteuropa arbeiten in der Schweiz in der Betreuung von älteren Menschen. Sie haben sehr tiefe Löhne, noch viel stossender sind aber ihre Arbeitszeiten: Weil sie bisher nicht dem Arbeitsgesetz unterstellt waren, mussten sie um die Uhr verfügbar sein und oft 15 Stunden arbeiten, ohne Überstunden ausgezahlt zu erhalten. Dank einem Bundesgerichtsentscheid sind nun alle Betreuerinnen dem Arbeitsgesetz unterstellt, wenn sie über ein Verleihbüro in die Schweiz kommen. Dadurch erhalten sie Höchstarbeitszeiten und damit einen gesetzlichen Anspruch auf Ruhezeiten. Die Rundschau hat darüber berichtet. Durch ein breit abgestütztes Postulat möchte ich vom Bundesrat einen Vorschlag, wie der gesamte Bereich dem Arbeitsgesetz unterstellt werden kann. In der Sendung Rendez-vous SRF konnte ich dazu Stellung nehmen.
Kampf gegen die illegale Enteignung der Mieter*innen
Im letzten Jahr haben die Vermieter gemäss einer Studie pro Miethaushalt im Monat illegal 380 Fr. zu viel Miete genommen. Vom Bundesrat möchte ich einerseits wissen, wie sich diese Enteignung von dutzenden Milliarden in den letzten Jahren auf die Existenzsicherung im Alter und auf den Konsum und die Sparquote auswirkt.
Wo gibt es Verbesserungspotenzial beim Datenzugang in der Schweiz?
Der Bund, bundesnahe Betriebe und die Kantone erheben eine grosse Anzahl von Daten während ihrer gesetzlichen Aktivitäten. Um politische Entscheide besser treffen zu können, bieten diese Daten ein grosses Potenzial: Forscher*innen könnten unsere Gesellschaft und unsere Gesundheit wesentlich besser verstehen, wenn sie vereinfacht Zugang zu solchen anonymen Daten hätten. Ich möchte deshalb vom Bundesrat wissen, wie der Datenzugang von den Forschenden wahrgenommen und genutzt wird, wo es Verbesserungspotenzial gibt und wieso die Schweiz in Rankings jeweils relativ schlecht abschneidet.
Kostenlose Verhütungsmittel – nächster Anlauf
Es ist in unser aller Interesse, dass junge Menschen nicht nur einen gesunden Umgang mit Sexualität haben, sondern auch alle Möglichkeiten besitzen, ihre Familienplanung selbst zu gestalten. In Frankreich sind deswegen für Menschen zwischen 18 und 25 Verhütungsmittel wie Pille, Spirale und Diaphragma gratis. Nachdem der Nationalrat 2018 abgelehnt hatte, dass die Krankenkasse diese Verhütungsmittel bezahlt, möchte mein neuer Vorstoss diese direkt über die Bundeskasse finanzieren. Damit entfallen auch Franchise und Selbstbehalt.
Verrechnungssteuer: Nächste Fake News-Kampagne von Economiesuisse
Nach der Pleite beim Stempelsteuer-Bschiss lügen die Befürworter von Steuerprivilegien bei der Verrechnungssteuer ohne Verschnaufpause weiter: Wieder soll die Steuer angeblich den KMUs nützen. Allerdings beträgt das minimale Volumen zur Emission von Obligationen stolze 100 Millionen. Davon profitieren könnten also nur etwa 200 Konzerne. Ich habe den Bundesrat um weitere Informationen gebeten.
PS: Hier kann man alle meine Voten aus der Session nachschauen.
PPS: Zur Rolle der Schweiz in diesem Krieg habe ich vor zwei Wochen in der Arena Stellung bezogen.