Frühjahrssession 2024

Die Stimmung der Session war geprägt von unserem historischen Sieg für die 13. AHV-Rente. Während ich hunderte Nachrichten beantworten durfte, in denen sich Rentner:innen oder ihre Angehörigen bei mir bedankten, dass wir mit aller Kraft für sie gekämpft und gewonnen haben, liessen uns die Bürgerlichen ihren Frust über die grosse Niederlage in allen Bereichen spüren. Sei es bei der Ausweitung der Ladenöffnungszeiten, was für das Verkaufspersonal mehr Sonntagsarbeit bedeuten würde, bei der Lockerung des Zweitwohnungsgesetzes, was die Wohnungsnot in den Berggebieten weiter verschärfen wird oder den Prüfungsauftrag für den Bau von neuen Atomkraftwerken – der Rechtsrutsch vom letzten Herbst mit einer erstarkten SVP wird im Parlament deutlich spürbar. 

Trotzdem gab es in den parlamentarischen Beratungen wichtige Lichtblicke. So wurde ein Vorstoss im Nationalrat gutgeheissen, der den Bund verpflichtet, eine nationale Strategie gegen Antisemitismus und Rassismus auszuarbeiten. Nach den schrecklichen Terrorattacken der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 hatte ich einen entsprechenden Antrag in der staatspolitischen Kommission gestellt und bin froh, dass er mit der Annahme im Nationalrat die erste Hürde geschafft hat. Die antisemitischen und antimuslimischen Vorfälle haben in den letzten Monaten in ganz Europa zugenommen. Wir müssen dringend gegen diese spaltenden Kräfte in unserer Gesellschaft vorgehen und Hass und Hetze entgegentreten. 

Das deutliche Ja zur 13. AHV-Rente mit über 58 Prozent Ja-Anteil zeigt, dass die breite Bevölkerung finanziell immer stärker unter Druck gerät. Der Kaufkraftverlust der letzten Jahre ist deutlich spürbar und verlangt nach politischen Antworten. Auch wenn längst die breite Mittelschicht die steigenden Preise und explodierenden Prämien spürt, leiden die Menschen am untersten Rand der Einkommensverteilung am stärksten. Die Zahl der Armutsbetroffenen hat sich in den letzten Jahren massiv erhöht. Besonders betroffen sind Alleinerziehende, Frauen und Kinder. Deshalb hat die SP-Fraktion eine ausserordentliche Session einberufen und eine Strategie und die Velängerung des Armutspräventions- und Verhinderungsprogramms gefordert. Unser Vorstoss dazu wurde im Nationalrat erfreulicherweise sehr deutlich überwiesen. 

Die Stimmbevölkerung wird am 9. Juni die nächste Gelegenheit haben, um die Kaufkraft wirksam zu schützen. Mit der Prämien-Entlastungsinitiative der SP soll die Krankenkassenprämien gedeckelt werden. Sie dürften neu nicht mehr als zehn Prozent des Einkommens ausmachen.

Mein Antrag in der Kommission: Strategie gegen Antisemitismus

Seit den brutalen Angriffen der Hamas in Israel und dem schrecklichen Krieg in Nahost häufen sich Antisemitismus- und Rassismus-Vorfälle in der Schweiz. Antisemitische Parolen, antimuslimische Beschimpfungen und Verschwörungstheorien haben Aufwind. Am Samstag hat sich die bisher schlimmste antisemitisch motivierte Gewalttat ereignet. Ein 15-jähriger Schweizer hat einen orthodoxen Juden mit einer Stichwaffe schwer verletzt. Diese furchtbare Tat macht uns sprachlos. Ich wünsche dem Angegriffenen und den Angehörigen viel Kraft in diesen schweren Stunden und eine rasche und hoffentlich vollständige Genesung.

Antisemitismus und Rassismus sind immer Angriffe auf uns alle; auf unser demokratisches, friedliches und freiheitliches Zusammenleben. Hass, Hetze und Ausgrenzung in jeder Ausprägung dürfen in unserer sozialen und demokratischen Gesellschaft keinen Platz haben. Wir alle müssen dafür sorgen, dass niemand aufgrund seines Glaubens, der Herkunft, der Hautfarbe oder anderer persönlicher Merkmale ausgegrenzt wird.

Im Kampf gegen Antisemitismus gehen die Kantone heute aber ganz unterschiedlich vor. Ich habe deshalb über die staatspolitische Kommission eine Motion durch den Nationalrat gebracht, die eine nationale Strategie gegen Antisemitismus Rassismus fordert. Wenn der Ständerat das Anliegen nun auch unterstützt, kriegt die Fachstelle gegen Rassismus mehr Mittel für die Ausarbeitung der Strategie und die Zusammenarbeit mit den Kantonen erhalten. Heute leistet die Zivilgesellschaft wichtige Arbeit im Bereich Bildung und Prävention, aber auch bei der Erfassung von antisemitischen Vorfällen. Das muss sich ändern.

Schwung nach dem AHV-Abstimmungssieg: Jetzt bei den Prämien entlasten!

Den ersten Schritt haben wir am vorletzten Sonntag bravourös geschafft: Der Kaufkraftverlust der Rentner:innen wird ab 2026 mit einer 13. AHV-Rente kompensiert. Doch wenn die Krankenkassenprämien weiterhin so stark ansteigen wie in den letzten Jahren, wird die 13. Rente schnell wirkungslos sein. Es braucht deshalb dringend einen Prämiendeckel. Nur so können wir die Prämienexplosion stoppen. 

Übrigens: Der Gegenvorschlag zur Initiative ist absolut ungenügend: Während die Prämien pro Jahr um bis zu 2000 Mio. Franken ansteigen, sollen laut Gegenvorschlag die Prämienverbilligungen einmalig um 350 Mio. erhöht werden. Damit werden nicht mal 20% des Prämienanstiegs eines einzigen Jahres kompensiert. Man muss konsterniert feststellen: Das ist nicht einmal ein einziger Tropfen auf den extrem heissen Stein. 

Ausserordentliche Session gegen Armut

Die Kaufkraft der Menschen in der Schweiz schwindet stetig. Vor allem die explodierenden Krankenkassenprämien und Mieten machen den Schweizer Familien das Leben schwer. Zwischen 2014 und 2021 sind immer mehr Menschen in die Armut gerutscht – im Jahr 2021 waren 745.000 von Armut betroffen und fast noch einmal so viele Personen leben nur knapp über der Armutsgrenze. In der ausserordentlichen Session zur Armutsbekämpfung, die wir verlangt haben, konnten wir im Nationalrat den Bundesrat beauftragen, das nationale Programm zur Prävention und Bekämpfung von Armut bis mindestens 2030 zu verlängern und eine Strategie zur Armutsbekämpfung auszuarbeiten. Wir bleiben dran, denn Armut in einem reichen Land wie der Schweiz ist eine Schande. 

Die Schuldenbremse bedroht die soziale Schweiz

In den letzten Wochen zeigte sich in einer neuen Deutlichkeit: Die viel zu restriktive Schuldenbremse ist eine ideologische Schönwetterlösung. Es ist völlig absurd, Schulden abzubauen, während die Kaufkraft schrumpft, der Fachkräftemangel weiter ansteigt und der Klimawandel zur grössten Bedrohung für zukünftige Generationen wird. Die restriktive Schuldenbremse droht wichtige Investitionen in die soziale Schweiz zu verhindern, seien es der Ausbau der Drittbetreuungsstrukturen für Kinder zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, den Umbau unserer Wirtschaft und Infrastruktur hin zu einer ökologischen und nachhaltigen Industrie mit Netto-Null-Emmissionen oder eben wichtige Investitionen zum Schutz der Kaufkraft und des Kleingewerbes. 

Die extreme Interpretation des Verfassungsartikels im restriktiven Finanzhaushaltsgesetz führt heute dazu, dass die finanziellen Schulden langfristig auf Null fallen. Die Schuldenquote sinkt und sinkt, währen der Berg an nicht gelösten Aufgaben – auch eine Art von Schulden – immer grösser wird. Interessant ist: Das Problem wird nun endlich auch den Rechten bewusst, weil sich die Armee und die Landwirtschaftssubventionenso derzeit schlicht nicht ausbauen lassen. Würde das Parlament das Gesetz so ändern, dass der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP (unserem Volkseinkommen) stabil bleiben darf, hätten wir jedes Jahr zwischen 1 und 1.5 Mrd. Franken mehr zur Verfügung, um die Menschen zu entlasten und in die Zukunft zu investieren.

Der rechte Bundesrat und die grossen Wirtschaftsverbände gefährden eine erfolgreiche Europapolitk

Zum Glück hat der Bundesrat nun sein Verhandlungsmandat für Bilaterale III (das Nachfolgeprojekt des Rahmenabkommens) verabschiedet. Als SP fordern wir angesichts des Klimawandels und der geopolitischen Situation ein klares Bekenntnis zum europäischen Projekt. Dies auch deshalb, weil die Forschungszusammenarbeit dringend deblockiert werden muss. Allerdings droht die grosse Gefahr, dass die Rechten und die grossen Wirtschaftsverbände die Europapolitik nun für einen Angriff auf den Service Public und die Lohn- und Arbeitsbedingungen missbrauchen. Beide müssen deshalb im Abkommen mit der EU und in der innenpolitischen Umsetzungsvorlage abgesichert werden.

Denn seit dem NEIN zum EWR-Beitritt 1992 ist der Schlüssel zum Erfolg in der Europapolitik bekannt: Wirtschaftliche Integration, flankiert mit sozialem Schutz. Nur mit einem klaren Bekenntnis der FDP und der Wirtschaftselite zu zweiterem werden die Bilateralen III erfolgreich verabschiedet und von der Stimmbevölkerung bestätigt. Der Bundesrat ist nun gefordert, die dafür notwendigen Bekenntnisse sowohl von der europäischen Union als auch von den Schweizer Wirtschaftsverbänden einzuholen. 

Rechte höhlen Föderalismus aus und gefährden Gesundheit der Menschen

Die Rechten behaupten ja immer, sie seien für Föderalismus und damit für die Autonomie der Menschen, über lokale Probleme lokal entscheiden zu können. Einmal mehr zeigt sich nun: Dieses Recht soll nur dann gelten, wenn die lokale Politik nach ihrem Gusto entscheidet. Weniger Lärm, bessere Luft und weniger gefährliche Strassen sind offensichtlich nicht erwünscht. Mit einer Motion im Ständerat und einer Änderung des Strassenverkehrsgesetzes im Nationalrat möchten die Rechten durchsetzen, dass auf “verkehrsorientierten” (also vielbefahrenen) Strassen kein Tempo 30 eingeführt werden kann. Besonders heuchlerisch: Wichtige Wortführer:innen der Rechten bei diesem Thema wohnen selbst in oder gerade an Tempo-30 Zonen. Ganz nach dem Motto: Saubere Luft und Ruhe für mich, aber nicht für die anderen. Ruhige und sichere Strassen für meine Kinder, aber nicht für die breite Bevölkerung. 

PS: Der Nationalrat hat deutlich einem Postulat von mir zugestimmt, das vom Bundesrat eine Auslegeordnung zur Versorgungssicherheit mit essentiellen und strategisch-kritischen Gütern verlangt. Dazu muss er auch eine industriepolitische Analyse und den Vergleich mit internationalen Tendenzen insbesondere in der EU und in den USA machen. 

PPS: Neu eingereicht habe ich zwei Interpellationen zur Reform der beruflichen Vorsorge. In der ersten will ich vom Bundesrat wissen, warum er nicht mehr Transparenz schafft bezüglich der enormen Verwaltungs- und Vermögensverwaltungskosten in der zweiten Säule. Die zweite betrifft die ungenügenden Kompensationsmassnahmen in der BVG-Reform, über die wir voraussichtlich im September abstimmen werden. 

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