Diese Session war besonders intensiv: Von der Kaufkraft über das Sexualstrafrecht, die Pensionskassenreform bis zum Ukraine-Krieg behandelten wir viele richtungsweisende Vorlagen. Wir konnten dabei Erfolge verbuchen, sind aber auch immer wieder an der rechten Mehrheit gescheitert. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns diesen Herbst bei den Wahlen stark engagieren und die Menschen davon überzeugen, dass wir die richtigen Rezepte gegen Kaufkraftschwund, Klimakrise und den Rückstand in der Gleichstellung in der Schweiz haben.
Heute habe ich zum Abschluss der Frühjahrssession in der Basler Zeitung ein grosses Interview gegeben: Hier kann man es nachlesen.
FALL Windisch: SVP hetzt gegen geflüchtete und lässt Mieter:innen im stich
Der Fall Windisch hat hohe Wellen geschlagen: Eine Immobilienfirma wollte ihre Profite optimieren und hat deshalb ein älteres Haus leergekündigt, um es abzureissen und teurere Wohnungen zu bauen. Als die Kündigungen bereits feststanden, kamen die zuständigen SVP-Vertreter:innen (Regierungsrat und Gemeinderat) dann auf die Idee, in diesem Haus vorübergehend Asylsuchende einzuquartieren. Den Medien wurde dann proaktiv kommuniziert, die Kündigungen seien wegen den Asylsuchenden erfolgt. 20 Minuten und CH Media haben diese Falschinformationen unkritisch reproduziert. Und plötzlich waren es die Asylsuchenden und die SP-Bundesrätin Baume-Schneider, die angeblich Schuld an den Massenkündigungen hatten.
20 Minuten und Co. liefern mit dieser Fake-News-Story der SVP nicht nur Munition für ihre fremdenfeindliche Politik. Sie vertuschen auch den Angriff auf die Mieter:innen, den die bürgerlichen Parteien inklusive der SVP lanciert haben. Sie haben im Nationalrat beschlossen, den Vermieter:innen die Kündigung zu vereinfachen, wenn sie Eigenbedarf an der Wohnung haben. Und gleichzeitig sollen den Mieter:innen zusätzliche Steine in den Weg gelegt werden, wenn sie ihre Wohnung oder auch nur einzelne Zimmer untervermieten möchten. So müssten Mieter:innen in Zukunft explizit eine Erlaubnis beim Vermieters einholen, wenn sie untervermieten wollen. Wir versuchen, die Vorlage im Ständerat zu kippen – ansonsten ergreifen wir dagegen zusammen mit dem Mieterverband das Referendum.
Bürgerliches Rentendebakel: Katastrophale Pensionskassenreform, keine Verbesserungen in der AHV
Auch die Renten standen in dieser Session erneut im Zentrum. Die bürgerliche Mehrheit hat im BVG eine der schlechtesten Rentenvorlagen aller Zeiten durchgeboxt. Statt die bis zu 40 Prozent tieferen Frauenrenten endlich umfassend zu erhöhen, bringt die neue Vorlage vor allem höhere Lohnabzüge für Tieflöhner:innen und Teilzeiterwerbstätige bei gleichbleibenden oder schlechteren Renten. Die Vorlage ist damit massiv schlechter als der Kompromiss der Sozialpartner (Arbeitgeber und Gewerkschaften), der die tiefen Renten sofort und zu geringen Kosten mit einer Umlagekomponente verbessert hätte.
Konkret sollen die Lohnbeiträge erhöht werden, insgesamt um drei Milliarden Franken. Das schwächt die Kaufkraft der Betroffenen, führt aber erst in Jahrzehnten zu Verbesserungen bei den Renten – wobei die Tieflöhner:innen nicht einmal mehr erhalten, denn die Ergänzungsleistungen werden entsprechend gekürzt. Im Gegenzug werden die Renten für alle gesenkt, weil der Mindestumwandlungssatz von 6.8% auf 6% sinkt – eine direkte Rentensenkung von 12 Prozent.
Während die Bürgerlichen offenbar bereit sind, drei Milliarden Franken zusätzliche Lohnbeiträge in die Pensionskassenreform fliessen zu lassen, behaupten sie gleichzeitig, wir könnten uns eine 13. AHV-Rente nicht leisten. Sie lehnten die Initiative im National- und Ständerat ohne Gegenvorschlag ab. Dabei würden die drei Milliarden ausreichen, um direkte Rentenverbesserungen für die tiefen und mittleren Einkommen in der AHV zu finanzieren – insbesondere auch für die Frauen. Immerhin lehnt der Ständerat auch die unsägliche Initiative der Jungfreisinnigen ab, die das allgemeine Rentenalter angehoben hätte. Dazu habe ich vor ein paar Wochen in der SRF-Sendung ECO Talk diskutiert.
Mehr kita-subventionen für bezahlbare kinder-drittbetreuung
Im internationalen Vergleich schneidet die Schweiz bei der familienergänzenden Kinderbetreuung sehr schlecht ab. Es ist endlich an der Zeit, dass es eine dauerhafte Lösung zur bundesweiten Finanzierung der Drittbetreuungsstrukturen gibt. Sowohl Eltern als auch Kantone sollen künftig mehr Kita-Geld erhalten . (ca. 710 Millionen Franken pro Jahr). Das erhöht die Entwicklungschancen der Kinder und stärkt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dank des Drucks der SP-Volksinitiative für kostenlose Kita-Plätze hat diese Vorlage im Nationalrat die erste Hürde genommen.
Ein weiterer wichtiger Schritt beim Sexualstrafrecht
Im Sexualstrafrecht sind wir einen grossen Schritt weitergekommen, besonders involviert war dabei meine Kollegin und langjährige Weggefährtin SP-Nationalrätin Tamara Funiciello. So hat sich der Ständerat für die “Nein-heisst-Nein-Plus” – Regelung ausgesprochen. Sie besagt, dass ein sexuelle Handlung dann eine Vergewaltigung ist, wenn eine der involvierten Personen „Nein” sagt – es braucht also keine physische Gewalt mehr dazu, gegen die sich das Opfer wehren muss. Da Opfer manchmal in eine Art Schockstarre (“Freezing”) fallen, in der keine verbale oder non-verbale Gegenwehr möglich ist, hat der Ständerat dazu eine Passage formuliert, die sexuelle Handlungen in diesem Fall auch ohne explizit geäussertes „Nein” als Vergewaltigung definiert. Diese Lösung ist damit in der Praxis praktisch deckungsgleich mit der von uns geforderten “Ja-heisst-Ja”-Lösung. Im neuen Sexualstrafrecht spielt es zudem keine Rolle mehr, was die Art des Übergriffes ist (Vaginal-, Onal-oder Analverkehr) und welches Geschlecht Täter und Opfer haben, damit das Delikt eine Vergewaltigung sein kann. Das Gesetz kommt nun im Juni in den Nationalrat zurück, wo wir uns hoffentlich der Version des Ständerates anschliessen und damit die Vorlage definitiv beschliessen können.
waffen-wiederausfuhr in die ukraine: erster SP-vorschlag gescheitert
Die SP-Fraktion hat die letzten Wochen viel daran gearbeitet, einen gangbaren Kompromiss mit den anderen Parteien zu finden, um anderen Ländern die Wiederausfuhr von Schweizer Kriegsmaterial an die Ukraine zu erlauben. Ich unterstütze dieses Anliegen, denn die UNO-Charta von 1948 stellt klar: Krieg ist kein legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Interessen. Ein Angriffskrieg ist illegal, aber es gibt ein Recht auf Selbstverteidigung. Und gerade ein neutraler Staat muss das Völkerrecht verteidigen.
Das Ziel war dabei, dass wir uns so gut wie möglich auf internationales Recht abstützen. Konkret hätte nach unserem Vorschlag entweder der UN-Sicherheitsrat oder eine ⅔-Mehrheit der UNO-Generalversammlung einen Krieg verurteilen müssen, damit andere Länder in der Schweiz gekaufte Waffen an die angegriffene Partei weitergeben können. Die Ergänzung um die UNO-Generalversammlung war wichtig, weil im UN-Sicherheitsrat einige grosse und militärisch aggressive Länder ein Veto haben, insbesondere Russland als Aggressor im Ukraine-Krieg.
Leider hat die FDP diesen breit abgestützten und meines Erachtens gut durchdachten Ansatz zum Absturz gebracht, indem sie den Absatz zur UNO-Generalversammlung rausstrich. Damit haben sie faktisch Putin ein Veto gegeben, ob Länder wie Deutschland oder Dänemark Waffen aus Schweizer Produktion an die Ukraine weitergeben dürfen.
Diverse Medienberichte haben gesagt, die SP hätte gleichzeitig den Vorschlag der FDP boykottiert. Dazu möchte ich klarstellen: Die beiden jetzt abgelehnten Vorlagen waren nicht die gleichen. FDP-Präsident Thierry Burkart wollte das Kriegsmaterialgesetz generell aufweichen, was der Ukraine nichts gebracht hätte. Es ist unlauter, jetzt den Moment auszunützen, um die eigenen Geschäfte voranzubringen, so wie das die Rüstungsindustrie tut. Der Vorschlag der SP hat sich hingegen wie bereits aufgezeigt an der UNO orientiert, am Völkerrecht.
Windkraftoffensive: Erleichterter Ausbau
Der Nationalrat möchte die Windkraft in der Schweiz schneller ausbauen, was die SP unterstützt. Dabei sollen Windparks in nationalem Interesse (solche mit 20 Gigawattstunden Mindestproduktion pro Jahr) neu von den Kantonen statt von den Gemeinden bewilligt werden. So könnten Windparks zwei bis drei Jahre früher realisiert werden, um so möglichst rasch einen Beitrag zur Deckung der Winterstromlücke zu leisten. Denn es hat sich herausgestellt, dass in der Schweiz das Potenzial für die Windkraft viel grösser ist als bisher gedacht. Ein Grossteil des produzierten Stroms würde im Winter anfallen. Die vereinfachte Regelung soll nur gelten, bis Turbinen mit einer Leistung von 600 Megawatt installiert sind. Das Gesetz kommt nun in den Ständerat.
Keine ökologische Fortschritte in der Agrarpolitik
Entgegen der SP hat der Nationalrat die Agrarpolitik22+ unökologisch gestaltet. Die Bürgerlichen haben sämtliche Anträge abgelehnt, die die Landwirtschaft in die Pflicht genommen hätten. Weder ein klarer Absenkungspfad für die Treibhausgasemissionen, noch Verbesserungen im Tierwohl oder Absatzförderung für ökologische Produkte hatten eine Chance. Damit lässt die Politik die Landwirt:innen weiterhin komplett im Stich in Bezug auf den ökologischen Umbau ihrer Betriebe und verpasst es, ihnen klare Perspektiven für die Zukunft zu geben.
Keine erleichterte Einbürgerung der dritten Generation
In der staatspolitischen Kommission des Nationalrats haben wir eine parlamentarische Initiative lanciert, um die Bedingungen für die Einbürgerung der dritten Generation zu vereinfachen, weil die Hürden nach der Volksabstimmung vor einigen Jahren nach wie vor zu hoch sind und sich dementsprechend wenige Menschen der dritten Generation einbürgern lassen. Leider hat der Ständerat den Handlungsbedarf nicht erkannt und die parlamentarische Initiative versenkt. Sie ist damit vom Tisch.
Meine Vorstösse
Modernisierung des Lohnschutzes – autonomer Nachvollzug europäischer Entwicklungen
Wir haben im Parlament eine Lohnoffensive lanciert (siehe Medienbericht hier). Ziel ist, dass mindestens 80 Prozent der Löhne von Gesamtarbeitsverträgen geschützt sind. Damit möchten wir uns den neuen EU-Mindestlohnrichtlinie annähern. Wir haben heute in der Schweiz nur eine Abdeckung von 50 Prozent. Ein Aktionsplan für mehr GAV würde den Lohnschutz stärken, europakompatibel, aber autonom. Denn gute Arbeitsbedingungen und Löhne sind keine Privatangelegenheit, sondern von öffentlichem Interesse. Wenn es zu Lohndumping kommt, springt der Staat letztlich immer in die Bresche. Der Schutz der Löhne liegt im Interesse aller, angefangen bei der Wirtschaft und den KMU.Unsere EU-kompatible Verbesserung des Lohnschutzes verbessert unsere Verhandlungsposition mit der EU und stärkt die Kaufkraft der Schweizer Bevölkerung.
Erfahrungen aus dem Ukraine-Krieg: Evaluation des Integrations- und Sparpotentials einer Verstetigung der privaten Unterbringung im Asylwesen
Ich will vom Bundesrat wissen, wie die private Unterbringung von anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen, insbesondere Familien und unbegleitete Minderjährige, in Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Kantonen weiter ausgebaut werden kann. Dafür soll in Zusammenarbeit mit den Kantonen und Gemeinden die Erfahrungen aus der privaten Unterbringung von Ukraine-Geflüchteten zeitnah evaluiert werden, insbesondere die vereinfachte soziale, kulturelle und berufliche Integration dank dezentraler Unterbringung und das daraus folgende Sparpotential für Bund, Kantone und Gemeinden.
Denn die Erfahrung der letzten Monate zeigt, dass die Unterbringung in Gastfamilien und Privatunterkünften ein regelrechter «Integrationsbooster» sind. Der direkte Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung erleichtert den Betroffenen die Integration wesentlich. Die Gastfamilien leisten dazu ergänzend zu den staatlichen Leistungen einen wertvollen Beitrag. Diese Chance gilt es zu auch in Zukunft zu nutzen. Doch bislang hat der Bundesrat sich bezüglich des Engagements
von Privaten bei der Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten sehr kritisch gezeigt. Hier muss ein Umdenken stattfinden, denn dank Gastfamilien und Privatunterkünften können Geflüchtete einfacher dezentral untergebracht werden. Dies ist unter dem Aspekt der sozialen, kulturellen und berufliche Integration den staatlichen Kollektivunterkünften zu bevorzugen.
Bericht über das Ausmass der Steuerhinterziehung und Steuervermeidung in der Schweiz
Damit fordere ich vom Bundesrat einen Bericht über das Ausmass der Steuerhinterziehung (Steuerverkürzung durch Steuerwiderhandlung) und Steuervermeidung bei natürlichen und juristischen Personen in der Schweiz. Der Bericht soll gleichzeitig aufzeigen, wie entsprechende Kontroll- und Gesetzeslücken geschlossen werden können. Das Problembewusstsein für Steuerhinterziehung ist in den letzten Jahren weiter angestiegen, weil sich unterdessen das durch straffreie Selbstanzeigen aufgedeckte Vermögen per Ende 2021 auf 80,8 Mia Schweizer Franken beläuft.
Unterdessen warnt Finanzministerin Keller-Sutter vor finanzpolitisch düsteren Zeiten und will für die kommenden Jahre umfangreiche Abbaumassnahmen durchsetzen. Vor diesem Hintergrund ist es umso dringlicher, das Ausmass der Steuerhinterziehung und -vermeidung aufzuzeigen und mögliche Kontroll- und Gesetzeslücken zu eruieren.
Staatliche Nothilfe für die Credit Suisse
Im Zusammenhang mit den jüngsten Entwicklungen rund um die Schweizer Grossbank Credit Suisse verlangt die SP volle Transparenz über Abläufe, getroffene Massnahmen und offene Fragen. Es ist mit Blick auf die Stabilisierung des Schweizer Finanzsystems zu begrüssen, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) die CS als systemrelevantes Unternehmen stützt. Die Kredite müssen allerdings angemessen verzinst und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Zudem braucht es dringend eine Revision der Too-big-to-fail-Regelungen (u.a. Lohndeckel, Bonibeschränkungen und höhere Einlagesicherung). Ich habe dazu am letzten Sessionstag kurzfristig eine Interpellation mit den entsprechenden Fragen an den Bundesrat eingereicht.