Die Prämienlast steigt immer weiter an. Eine Familie mit zwei Kindern bezahlt sogar mit HMO-Modell über tausend Franken pro Monat. Das übersteigt ihre Steuerlast um ein Vielfaches und widerspricht dem Geist unserer Verfassung.
(Dieser Text ist am 1. September 2023 bereits als Gastbeitrag in der NZZ erschienen.)
Die Schweiz ist ein reiches Land. Doch bei vielen Menschen bleibt am Ende des Monats immer weniger Geld übrig. Neben den Mieten stellen die Krankenkassenprämien die grösste finanzielle Belastung für die Haushaltsbudgets dar. Die Prämienkosten explodieren regelrecht, für das kommende Jahr wird wieder ein überdurchschnittlicher Anstieg erwartet. Das setzt die Kaufkraft der Menschen immer mehr unter Druck. Hinzu kommen fehlende Teuerungsausgleiche bei den Renten, höhere Lebensmittelpreise und der Anstieg des Referenzzinssatzes und damit der Mietpreise. Eine Familie mit zwei Kindern zahlt unterdessen über 1000 Franken pro Monat für die Krankenkassen. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass die Krankenkassenprämien jeweils weit oben auf dem Sorgenbarometer der Schweizer Bevölkerung rangieren.
Unsoziale Kopfprämien gegen den Geist der Verfassung
Im Gegensatz zu unseren Nachbarländern sind die Krankenkassenprämien in der Schweiz nicht nach Einkommen abgestuft. Sie funktionieren als Kopfprämie. Ein Star-Architekt zahlt gleich viel für seine Prämien wie ein Mitarbeiter der Stadtreinigung. Mit dem Unterschied, dass die hohen Prämien bei tieferen Haushaltsbudgets eine deutlich höhere Belastung darstellen und so immer mehr Menschen zur Schwelle der Armutsgefährdung oder gar in die Armut abrutschen.
Diese Kopfprämie ist eine Sonderheit im Schweizerischen Sozialversicherungssystem. Und sie steht im Widerspruch zur Schweizerischen Verfassung, nach der sich die Besteuerung der Bevölkerung an deren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientieren muss. Als soziales Korrektiv schuf man deshalb das System der Prämienentlastung, mit dem Versprechen, dass kein Haushalt mehr als acht Prozent des Einkommens für die Prämienzahlungen ausgeben sollte. Den anderen Teil der Gesundheitskosten sollte über den allgemeinen, solidarisch finanzierten Staatshaushalt abgedeckt werden.
Bezahlbare Prämien durch effektive Entlastung
Doch dieser politische Kompromiss aus den 1990er Jahren wird schon lange nicht mehr eingehalten. Die kantonalen Prämienentlastungen federn den massiven Anstieg der Prämienlast nicht ab, der Kostendeckel von acht Prozent ist längst überschritten. Während die Prämien real seit 1997 um satte 142 Prozent angestiegen sind, wurden die individuellen Prämienverbilligungen nur um etwa 40 Prozent erhöht und die durchschnittlichen Reallöhne stiegen sogar nur um 15 Prozent. Neun Kantone geben heute in absoluten Zahlen sogar weniger Geld für Prämienentlastung aus als noch vor 10 Jahren, und das bei steigenden Kosten und Bevölkerungszahlen.
Bund und Parlament haben es also versäumt, ihrer Pflicht nachzukommen und die Bevölkerung von den explodierenden Prämien zu entlasten. Nun liegt dafür ein konkreter und einfach umsetzbarer Vorschlag auf dem Tisch: Die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP Schweiz. Diese will die Prämienlast auf 10 Prozent des verfügbaren Einkommens reduzieren, in Anlehnung an den Kompromiss aus den 1990er-Jahren.
Jeder Franken mehr bei den Menschen ist ein Franken für die Quartierbeiz
Was viele in dieser Debatte vergessen: 63 Prozent des Bruttoinlandprodukts der Schweiz stammen aus dem Konsum der privaten Haushalte. Was heisst das also, wenn die Kaufkraft der Menschen immer weiter sinkt? Es schadet unserer Wirtschaft. Eine sinkende Nachfrage senkt die Aufträge für das Gewerbe, bedroht die Arbeitsplätze und reduziert das Wachstum. Umgekehrt ist jeder Franken mehr bei den Menschen ein Franken für die Realwirtschaft.
In diesem Sinne ist die Stärkung der inländischen Kaufkraft die allerbeste Wirtschaftspolitik, gerade in Zeiten starker Verwerfungen auf den internationalen Märkten. Dazu müssen wir die Menschen in der Schweiz sofort finanziell entlasten, zum Beispiel mit einem Deckel bei der Prämienlast bei 10 Prozent des Haushaltseinkommens, einem vollständigen Teuerungsausgleich bei den Löhnen und Renten und indem wir mit einer Mietzinskontrolle dafür sorgen, dass bezahlbarer Wohnraum keine Mangelware bleibt.
Unsere Vorschläge zum Schutz der Kaufkraft und zur Armutsbekämpfung liegen auf dem Tisch. In der Herbstsession wird sich zeigen, ob die bürgerlichen Politiker:innen die Sorgen der Bevölkerung wirklich ernstnehmen. Dann nämlich geht es um den Gegenvorschlag zur SP-Initiative. Es ist endlich Zeit für griffige Massnahmen, um die Menschen vor den steigenden Kosten schützen. So oder so wird dank unserer Volksinitiative die Stimmbevölkerung in dieser Sache wohl das letzte Wort haben.