Dieser Text erschien im Dezember 2023 als Carte Blanche in der Volksstimme.
Seit ein paar Jahren bemühe ich mich darum, die verschiedenen Jahreszeiten aktiv zu erleben. Im Frühling mache ich Bärlauchpesto. Vor Ostern färbe ich Eier. Im Sommer koche ich Konfitüre. Im September decke ich mich beim Mathis-Hof in Bottmingen mit Kürbissen ein und gehe im Wald Pilze sammeln. Meine Freundinnen können sich angesichts meines «Jahreszeiten-Eifers» manchmal ein Lachen nicht verkneifen.
Trotz Augenzwinkern gibt es einen guten Grund für meine Bemühungen. Diese saisonalen Traditionen bieten für mich immer wieder schöne Momente, auch im strengen Politalltag, in denen ich innehalten und die Schönheit der Natur bewusst wahrnehmen darf. Die Jahreszeiten bieten mir damit viele kostbare Gelegenheiten, um das Tempo zu drosseln.
Am meisten aber liebe ich die Adventszeit. Die vielen Lichter, der Duft von Zimt und Tannennadeln, die knisternden Feuerschalen und die leuchtenden Kinderaugen – für mich ist es die zauberhafteste Zeit des Jahres. Es erinnert mich an meine eigene, unbeschwerte Kindheit und gibt der kalten, dunklen Zeit einen märchenhaften Anstrich.
Doch trotz der zauberhaften Elemente, die die Adventszeit mit sich bringt, sollten wir nicht vergessen, dass sie nicht für alle Menschen gleich festlich ist. Seien es schmerzhafte Erinnerungen, die hochkommen oder familiäre Brüche, die sich um die Festtage herum besonders deutlich zeigen; für gewisse Menschen ist diese Zeit vor allem belastend.
Denken Sie an die armutsbetroffenen Alleinerziehenden, die wissen, dass sie sich keine teuren Geschenke leisten können und ihre Kinder deswegen an Heiligabend enttäuscht sein werden. Oder an die 24-Stunden-Betreuerinnen, die Tag und Nacht für unsere Angehörigen sorgen und die Weihnachten hunderte Kilometer entfernt von ihrer eigenen Familie verbringen müssen. Oder vor allem an jene, die in Kriegsgebieten leben müssen oder deren Angehörige an der Front sind, für die diese Wochen besonders von Ängsten und Sorgen geprägt sind. Während wir unsere Häuser mit viel Glitzer und Lichter schmücken, bangen sie um die Sicherheit ihrer Liebsten oder müssen sogar vor dem Bombenhagel flüchten.
Für mich persönlich ist es deshalb wichtig, in der scheinbar heilen Welt der Adventszeit die Realitäten nie aus den Augen zu verlieren. Während wir am Weihnachtsmarkt gemütlich eine Tasse Glühwein schlürfen, dürfen wir nicht vergessen, dass nicht alle diese Zeit unbeschwert genießen.
Solidarität und Mitgefühl sind in dieser Zeit deshalb besonders gefragt. Es geht darum, zuzuhören, zu verstehen und Hilfe anzubieten, wo es möglich ist. Und es geht darum, aus den eigenen Privilegien Dankbarkeit und Demut zu entwickeln statt Arroganz und Ablehnung. Werden wir uns bewusst, wie viel Glück wir haben, die Adventszeit in Frieden und Fülle erleben zu dürfen, und zeigen wir Solidarität mit jenen, die nicht in diesen Genuss kommen. In dieser Adventszeit möge unser Mitgefühl insbesondere diejenigen erreichen, die es am meisten brauchen.